Fertighaus - Geschichte
Die Geschichte des Fertighauses
Die Geschichte des Hauses in
Fertigbauweise ist eine lange und vielfältige. Sie beinhaltet Aspekte von
Kultur, Handwerk, Architektur und epochaler Menschheitsgeschichte. Unter diesen
verschiedenen Aspekten soll hier das Fertighaus von seinen frühesten Anfängen
bis heute auch betrachtet werden.
Erste Fertighäuser- noch vor Leonardo da
Vinci
Bei Fertighäusern denkt man im deutschsprachigen Raum zunächst an die 1960er
und 70er Jahre. Dass dies nicht völlig zu Unrecht so geschieht, wird später
noch zu zeigen sein. Dennoch gab es viele Vorformen des Fertighauses, wie es
heute bekannt ist, und das bereits vor einigen Jahrhunderten.
In vielen Quellen wird Leonardo da Vinci als Urvater des Fertighauses benannt.
Dies wäre in der Tat nicht verwunderlich: Dem Universalgenie aus Italien, das
unter anderem Flugmaschinen und Unterwasserfahrzeuge entworfen hatte, wäre
sicherlich auch etwas geradezu Triviales wie ein Fertighaus zuzutrauen. In der
Tat gab es 1494 durch Leonardo da Vinci den Entwurf zu einem "Casa
Mutabile", was wörtlich "veränderbares Haus" bedeutet. Dieses
Haus war vorgesehen als Konstruktion mit vorgefertigten Bauteilen, aus Holz
bestehend, die dann vor Ort nur noch zusammengebaut werden sollten.
Da Geschichte sich häufig leichter über namhafte Individuen erzählen und merken
lässt, kam Leonardo da Vinci wohl auch dadurch zum Ruf des vermeintlichen
Fertighauserfinders. Zu Unrecht allerdings, wie man heute weiß. Schon im 12.
Jahrhundert gab es Baumeister, diese allerdings aus unserer heutigen Sicht
namenlos, die sich auf die Herstellung von Fachwerkhäusern spezialisiert
hatten. Die Vorfertigung der Holzgerüste für den Wändebau erlaubt die
Ableitung, dass hier die Anfänge der Fertighauskonstruktionen zu finden sind.
Passend für das jeweilige Fundament wurden nämlich die entsprechend
dimensionierten Balken in Werkstätten vorgeschnitten und dann erst zur
Baustelle transportiert. Diese Methode erlebte seine Blütezeit im 16.
Jahrhundert. Etwa 100 Jahre später baute man in England erste Holzhäuser, die
auch aus bereits vorgefertigten Holzelementen bestanden und die dann vor Ort
montiert wurden.
Fertigbau: Auch Folge gesellschaftlicher Notwendigkeiten
Zur seriellen Produktion von Fertighäusern kam es in den USA. In den ersten
Jahren der Einwanderung musste den Ankömmlingen in der Neuen Welt günstige und
einfache Wohnmöglichkeiten schnell zur Verfügung gestellt werden. Die anfangs
im Übermaß vorhandenen Bäume wurden gefällt und zu Blockhütten verbaut.
Ähnliches vollzog sich übrigens auch in den baumreichen Ländern Skandinaviens.
Je mehr die Besiedelung und folgende Maschinisierung fortschritt, konnten
andere praktische Verarbeitungsmethoden zum Zuge kommen. Hier ist besonders ein
Mann namens George Snow zu nennen. Er führte Holzständer und Rahmen in vereinheitlichter
Form ein, die nur noch beplankt werden mussten. Dieses sogenannte "Balloon
Frame System" breitete sich von Chicago über die ganze USA aus.
Später konnten dann ganze Häuserteile maschinell vorgefertigt und auch von
handwerklich nicht so versierten Menschen zusammengebaut werden. Den letzten
Auslöser für die serielle Massenproduktion von Fertigholzhäusern liefert der
sogenannte Goldrausch: Um 1900 nahmen die Einwanderung und die Ausbreitung nach
Westen so stark zu, dass der Bedarf an Wohnraum nur noch so durch serielle
Massenproduktion gedeckt werden konnte. Auch wenn die Entwicklung in den USA am
dynamischsten verlief, muss hier die Kolonalisierung generell als Triebfeder
genannt werden: Auch in Südamerika, Australien und Afrika ging die Wohnraumbeschaffung
einher mit zunehmend serieller Produktion von Fertighäusern.
Ein weiterer Faktor zur Verbreitung von Fertigbau war das Militär. Um bei den
verlustreicher werdenden militärischen Auseinandersetzungen schnell viele
Verwundetet versorgen zu können, begann man etwa in Deutschland Lazarette in
Montageweise zu erstellen. Diese konnten schnell errichtet und bei Bedarf auch
wieder abgebaut und weitertransportiert werden.
Interessanterweise wurden auch Kirchen, so in Skandinavien, aus Fertigholzmodulen
gebaut.
Eine weitere Revolutionierung im Fertighausbau kam, als der Werkstoff Holz
zunehmend von Beton abgelöst wurde. Hier ist es eine Frau, die genannt werden
muss, nämlich die Amerikanerin Kate
Gleason. Sie entwickelte um 1920 ein Verfahren, bei dem flüssiger Beton in
vorbereitete Formen gegossen wurde. Nach der vollständigen Aushärtung mussten
diese Bauelemente nur noch aufgerichtet werden, so dass sehr schnell stabile
Häuser daraus gebaut werden konnten. Kate Gleason erlebte die Umsetzung ihrer Idee,
eine ganze Arbeitersiedlung so zu bauen, nicht mehr. Sie hinterließ nach ihrem
Tod 1933 1,4 Millionen US-Dollar, die sie an unterschiedliche Institutionen in
Rochester gab.
Fertighaus und Architektur
Zur weltweiten Verbreitung neuer Ideen im Fertighausbau trugen auch die
Weltausstellungen bei. Eines der ältesten Fertighäuser Österreichs steht heute
als Gasthaus "Radwirt" in Veitsch. In Wien bei der Weltausstellung
1873 war es eine kleine Sensation und wurde später in die Steiermark transportiert.
Die sogenannte Villa Blumenthal, die heute in Bad Ischl in Oberösterreich
steht, wurde im Stil der Wolgaster Villa aus Holzfertigteilen in Berlin gebaut.
Von dort wurde das Haus nach Chicago zur Weltausstellung 1893 verfrachtet. Der
Musiker Oskar Blumenthal sah es dort und kaufte das aus kanadischer Kiefer
gefertigte Haus, da er davon so begeistert war. Nach Ende der Weltausstellung
wurde das Haus in seine Einzelteile zerlegt und kam auf diese Weise nach Bad
Ischl.
Bei der Weltausstellung 1900 in Paris entdeckte der Bankier Freiherr von der
Heydt das dort präsentierte sogenannte "Norwegische Holzhaus". Auch
er kaufte es nach der Ausstellung und ließ es in Wuppertal wieder aufbauen.
Dieses Haus, das heute noch in der Kohlstraße 64 steht, gilt als eines der
ersten Fertighäuser Deutschlands. Es steht unter Denkmalschutz und markiert
einen Meilenstein der Architekturgeschichte. Diese wurde in Sachen Fertighaus
in Deutschland durch zwei Männer fortgeschrieben: Walter Gropius und Konrad
Wachsmann.
Beide deutsch-amerikanischen Architekten hatten sich schon in den 1920er Jahren
unabhängig voneinander einen Namen gemacht. Walter Gropius begründete mit dem
"Bauhaus" in Weimar die bis heute bekannteste Architekturschule in
Deutschland. Er brachte variierende und bereits vorproduzierte Bauelemente als
sogenanntes Baukastensystem zusammen. So entstand die Weißenhofsiedlung in
Stuttgart.
Konrad Wachsmann forschte seit 1922 an einer verfeinerten Differenzierung im
Holzbau. Es entstand das sogenannte Einstein Haus in Caputh. Bekannt wurde es,
weil der bekannte Physiker Albert Einstein es zeitweise bewohnte. Sowohl Walter
Gropius als auch Konrad Wachsmann verliehen dem so bisher eher als Notbehelf
geltenden Fertighaus eine architektonische Anerkennung mit folgender
Breitenwirkung. Ab 1949 arbeiteten beide zusammen, es entstand daraus die erste
vollautomatisierte Fabrik zur Fertigung von einzelnen Elementen zum
Fertighausbau.
Fertighausbau nach dem 2. Weltkrieg
Welche Dynamisierung die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebte lässt sich
auch an den verschiedenen Epochen ablesen, die beim Fertighausbau zwischen 1950
und heute feststellbar sind.
Die Zeit nach dem Krieg war geprägt vom Wiederaufbau und dem Beginn des
sogenannten Wirtschaftswunders. Es war auch die Blütezeit für die Industrieproduktion
von Fertighäusern.
Die Firmenentwicklung lief oft sehr ähnlich ab: Meist entwickelten sich
Fertighausanbieter aus Zimmereien und Schreinereien mit langer Tradition. Als
Beispiele seien etwa die Firmen Biel oder OKAL genannt. Das erste OKAL
Fertighaus stand 1953. Andere folgten, wie etwa die Firma Weber 1961 oder Bien
und Zenker 1962 bzw. 1963.
Ab 1960 führte ein Bauboom zu einer weiter gesteigerten Nachfrage nach
Fertighäusern. Modelle wurden nicht mehr nur in Katalogen präsentiert: 1963
eröffnet die erste Hausaustellung bei Hamburg in Quickborn. Diese Initiative
wurde vom Magazin "Stern" mitgetragen, und der damalige Herausgeber,
Henri Nannen, eröffnete diese Ausstellung.
Um 1970 erlebte die bis dahin unbeschwerte Zeit des Hausbaus erste Hemmnisse:
Die Ölkrise gemahnte bereits an die Endlichkeit unserer Energiereserven. Das
Energiesparhaus, schon lange technisch möglich, wurde jetzt durch die äußeren
Ereignisse ein Marktsegment. Daneben kamen auch neue Hausformen hinzu wie etwa
der Flachdachbungalow.
Die 1980er Jahre brachten auch im Fertighausbau eine stärkere
Individualisierung. Das Fertighaus von der Stange wurde abgelöst von immer
komplexeren Modellen mit Möglichkeiten der Selbstgestaltung.
Nach dem Fall der Mauer waren es in den 1990er Jahren vor allem die
Bundesländer im Osten, die starke Nachfrage an Wohnraum durch Fertighäuser
hatten. Auch weiterhin gefragt waren Energiesparmöglichkeiten, jetzt auch
notwendig durch entsprechende Verordnungen. Bereits 1986 wurden erste
Fertighäuser mit Photovoltaikanlagen ausgestattet.
Fertighäuser heute
Dies ist bis heute so. Der Interessent kann wählen zwischen vielen
unterschiedlichen Anbietern und Möglichkeiten: So etwa ein sogenanntes
Ausbauhaus, das vom Besitzer innen in Eigenleistung weiter ausgebaut und
vollendet wird. Genauso gefragt aber ist noch immer der Klassiker, das
sogenannte schlüsselfertige Haus, das mitunter allerdings im Zustand von dem
Hersteller unterschiedlich definiert wird. So sind etwa Farbarbeiten, Tapeten
und Bodenbeläge manchmal nicht im Preis enthalten, was den Begriff
schlüsselfertig ja dann eigentlich nicht rechtfertigt. Auch das Material, mit
dem alles begann, nämlich das Holz, ist wieder hoch im Kurs. Modernen
Holzhäusern wird heute eine Lebensdauer von mindestens drei Generationen
gegeben. Ein Ende der Weiterentwicklung des Fertighauses ist nicht abzusehen:
Jedes achte neue Eigenheim ist in Deutschland heute ein Fertighaus.